Aufmerksamkeit und Konzentration

Fragst du dich manchmal was genau der Unterschied zwischen Aufmerksamkeit und Konzentration ist? Oder bist du manchmal unsicher, ob du zu wenig zielgerichtet in deiner Übung bist? In diesem Artikel gehe ich auf diese beiden Begriffe ein und erläutere, wann das eine oder das andere angebracht bzw. hilfreich sein kann.

Wenn wir von Konzentration sprechen, ist oftmals eine sehr zielgerichtete Fokussierung unserer Aufmerksamkeit gemeint. “Konzentrier’ Dich auf die Straße!”, “Konzentrier’ dich auf deine Arbeit!”…Solche Sätze haben wir alle schon mal gehört. Gemeint ist dabei meist eine Konzentration auf ein abgegrenztes Objekt oder auf ein abgegrenztes Tätigkeitsfeld. In beiden Zusammenhängen kann aber natürlich auch die allgemeine Aufforderung “Sei aufmerksamer!” sinnvoll erscheinen. Im Alltagsgebrauch scheinen die beiden Begriffe also nicht immer klar voneinander trennbar zu sein.

Der Unterschied lässt sich dennoch relativ simpel erläutern: Während die Konzentration meist mit einer zielgerichteten Motivation in Verbindung steht, ist die Aufmerksamkeit meist von genereller Natur. Auf der Arbeit kann ich mich z.B. auf bestimmte Tätigkeiten besonders konzentrieren, um diese sorgfältig und korrekt auszuführen. Dabei hilft mir eine erhöhte Konzentration dabei, mich nicht ablenken zu lassen und den Arbeitsschritt zielgerichtet und zügig durchzuführen. Wenn ich versuche durch den Tag mit einer erhöhten Aufmerksamkeit zu gehen, kann dies in manchen Situation auch mal genau das Gegenteil bedeuten. Durch meine erhöhte Aufmerksamkeit bemerke ich dann möglicherweise Dinge am Wegesrand, die mir sonst nicht aufgefallen wären. Es kann mir dann vielleicht sogar angemessen erscheinen den aktuellen Arbeitsschritt zu unterbrechen und der Sache nachzugehen, welche “meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat”.

An dieser Stelle ist es wichtig zu unterscheiden, was “angemessen” bedeutet. Es ist sicherlich nicht hilfreich, wenn wir z.B. bei jedem “piep” oder “brrrt” unseres Smartphones unsere Tätigkeit unterbrechen. In der Regel sind wir aber ohne nachzudenken in der Lage, richtig von falsch zu unterscheiden und zu erkennen was eine “angemessene Unterbrechung” und was lediglich eine unnötige Ablenkung ist.

Halten wir also fest: Konzentration ist meist zielgerichtet auf einen begrenzten Wahrnehmungs- oder Tätigkeitsbereich. Aufmerksamkeit hingegen ist von genereller Natur und bewirkt eine allgemein erhöhte Wahrnehmungs- und Aufnahmefähigkeit.

Wo tauchen diese zwei Aspekte in meiner Meditationsübung auf?

Es gibt Übungen, welche zum Inhalt haben, dass ich ein klar definiertes Konzentrationsobjekt bzw. eine bestimmte Blickrichtung anvisiere. Darunter fallen z.B. die Atembetrachtung (sofern die Konzentration gezielt auf die Atmung oder einen seiner Aspekte fokussiert wird), das Atem-Zählen, die Mantra-Meditation und alle weiteren Meditationsübungen, bei denen die Konzentration auf ein bestimmtes Objekt oder einen bestimmten Aspekt eine wesentliche Rolle spielt.

Bei anderen Übungen wiederum ist eine generell erhöhte Aufmerksamkeit gefordert, ohne irgendeine zielgerichtete Konzentration. Darunter fallen z.B. ebenfalls die Atembetrachtung (sofern ich die Atmung und den Körper nur als Teil meiner allgemeinen Wahrnehmung des gegenwärtigen Augenblicks betrachte), das Nur-Sitzen (Shikantaza) und eigentlich alle Achtsamkeitsübungen, die keine gezielte Fokussierung der Konzentration beinhalten, sondern “nur” auf die allgemeine Wahrnehmung des Hier-und-Jetzt gerichtet sind.

Konzentration…

Es ist durchaus wichtig, dass wir in unserer Übung beide Aspekte gleichermaßen einbeziehen. Dazu müssen wir uns zunächst klar machen, dass vor allem Neulinge oft mit einem eher unruhigen Geist an die Übung gehen (und gelegentlich wahrscheinlich auch jeder schon länger Praktizierende). Also ein Geist, der gefühlt fast jede Ablenkung willkommen heißt, nur um der Stille im gegenwärtigen Augenblick zu entfliehen. Zudem haben wir zunächst eher wenig Kenntnis über die Mechanismen unseres Geistes, welche in Ausflüchten und Ablenkungen münden. Es ist in diesem Stadium oftmals hilfreich, in der Meditationsübung einen bewussten Schwerpunkt auf Konzentration zu legen.

Meist wird Anfängern daher die Atem-Betrachtung (Anapanasati), die Atem-Fokussierung, das Atem-Zählen (Sussokan) oder eine Art der Mantra-Meditation empfohlen. Diese Techniken helfen der/dem Übenden dabei, die automatisch ablaufenden und ablenkenden Mechanismen des Geistes zur Ruhe zu bringen oder sie zumindest zeitweise auszutricksen. Wenn wir mit der Zeit in die Übung besser reinkommen, gelingt es uns immer leichter unsere Aufmerksamkeit auszurichten. Durch die Konzentration auf einen bestimmten Aspekt (Atmung, Zählen, Mantra etc.) wird sozusagen dem Geist der Nährboden (oder die freie Kapazität) für alle anderen Aktivitäten in diesem Moment entzogen. Dadurch können wir durch solche Übungen zeitweise einen ruhigen Geisteszustand erreichen, bis hin zu tiefen Erfahrungen der Stille, welche uns auf einer tieferen Ebene berühren können.

Aufmerksamkeit…

Neben dieser konzentrierten Übung des Geistes ist auch das Üben nicht-zielgerichteter Aufmerksamkeit von zentraler Bedeutung. Letztendlich kann der Weg zu mehr Lebensglück nicht darin bestehen, dass ich versuche mich permanent auf bestimmte Dinge zu konzentrieren. An dieser Stelle kommt der generellen Aufmerksamkeit eine stärkere Bedeutung zu. Diese Aufmerksamkeit bedarf keiner besonderen Anstrengung. Ein kurzer Erinnerungsimpuls nach dem Motto “Achtung, Aufmerksam sein!” reicht meist aus, den Geist kurz aus seinem Gedankenwust herauszuholen und den gegenwärtigen Augenblick gewahr zu werden. Durch die erhöhte Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Augenblick, erkennen wir im Laufe der Zeit immer mehr wie unser Geist “tickt” und welche Mechanismen und Automatismen in uns oftmals wie ein Autopilot die Kontrolle übernehmen.

Wenn ich versuche die Aufmerksamkeit dann immer wieder herzustellen und mich von den Ablenkungen löse, entziehe ich genau diesen störenden Impulsen wieder den Nährboden. Ich unterbreche also immer wieder den Autopilot und die automatisch ablaufenden ablenkenden Mechanismen. Stattdessen ersetze ich sie mit einer bewussten Wahrnehmung des Augenblicks und einem nicht-abgelenkten Geisteszustand (auch wenn dieser Zustand nur kurz anhalten mag). Dafür wird keine zielgerichtete Konzentration benötigt, sondern nur der Wille, aufmerksam meine Umgebung und mich selbst wahrzunehmen. Also anders ausgedrückt, der Wille mit meiner Aufmerksamkeit im Hier-und-Jetzt zu sein, anstatt mich in Gedanken und inneren Dialogen davontragen zu lassen. Diese Übung kann man sowohl beim Sitzen in Stille, als auch insgesamt während des gesamten Alltages immer wieder einbauen.

Ein kombinierter Lerneffekt

Der dabei eintretende kombinierte Lerneffekt hat verschiedene Aspekte. Erstens übe ich, Konzentration aufzubringen (z.B. auf die Atmung), was mir dabei hilft, Ruhe im Geist herzustellen und den Geist willentlich unter Kontrolle zu bringen. Zweitens entwöhne ich meinen Geist von dem ständigen Impuls, auf Autopilot schalten zu wollen und sich im inneren Dialog davontragen zu lassen. Durch diese beiden Aspekte gelingt es uns immer besser, den Geist willentlich und gezielt durch Konzentration zeitweise unter Kontrolle zu bringen. Zugleich nimmt unser Geist immer öfter von ganz alleine einen Zustand der Aufmerksamkeit auf das Hier-und-Jetzt ein, ohne dass wir dafür eine gezielte Anstrengung aufbringen müssen. In Momenten, in welchen unser Geist frei von jeglichem Gedankenwust und Ballast ist, sind wir automatisch im Gewahrsein des gegenwärtigen Augenblicks. Wir sind sozusagen automatisch in unserer eigenen Mitte und in Harmonie mit dem Augenblick.

Obwohl alle Aspekte fortwährend in irgendeiner Form in unserer Übung Platz finden sollten, kann die Änderung und Anpassung der Schwerpunkte von Zeit zu Zeit hilfreich sein. Wie sieht deine Übung aus? Hast du Aspekte von Konzentrations- und von Aufmerksamkeits-Training in deiner Übung? Experimentiere von Zeit zu Zeit mal mit verschiedenen Kombinationen und Schwerpunkten und schaue was aktuell am besten passt. Am besten und effektivsten gelingt dir das, wenn du die Möglichkeit hast, dich gelegentlich mit einem Lehrer oder einer ähnlichen Person deines Vertrauens auszutauschen. Dabei ist es hilfreich, wenn diese Person viel Erfahrung mit der Praxis und Anleitung von unterschiedlichen Meditationsformen besitzt.